Baukonjunktur weiter im Abwärtstrend – Wohnungsbau im freien Fall

Bauwirtschaft fordert energische Gegenmaßnahmen

Sinkende Umsätze, rückläufige Auftragseingänge, wegbrechende Baugenehmigungen: Die Bauwirtschaft kämpft mit den Folgen des Krieges in der Ukraine. Vor allem im Wohnungsbau droht der Kollaps. Dabei bleibt der Baubedarf hoch. Um die Bautätigkeit anzukurbeln, braucht es effektive Gegenmaß-nahmen. Die Politik muss handeln. Ausgebremst wird die Baukonjunktur unter anderem durch hohe Material- und Energiepreise sowie gestiegene Bau-zinsen. Zudem hat der Bund die Mittel für die Wohnungsbauförderung drastisch gekürzt. Statt 10 Milliarden Euro wie im Vorjahr stehen 2023 nur noch rund 2 Milliarden Euro für die Förderung von Neubaumaßnahmen zur Verfügung. Überdies wurden die Förderbedingungen verschärft. Förder-zusagen gibt es nur noch bei Einhaltung des strengen und teuren Energiestandards EH 40. Hinzu kommt, dass statt Zuschüssen nur noch zinsverbilligte Darlehen gewährt werden. Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen sind die Umsätze in der Bauwirtschaft weiter rückläufig. Im ersten Halbjahr 2023 sanken sie in Baden-Württemberg real um 3,2%.Das Minus bei den Auftragseingängen fiel mit -9,4% noch deutlicher aus. Geradezu alarmierend ist die Entwicklung im Wohnungsbau: Hier gab es zwar geringere Umsatzeinbußen als in der Baubranche insgesamt, doch die Ordernachfrage verringerte sich von Januar bis Juni real um 31,3 %. Zudem brach die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen in diesem Mitten in der Krise ruhen die Hoff-Zeitraum im Vergleich zum Vorjahr um 23,6 % ein. Nicht ganz so dramatisch stellt sich die Situation im Wirtschaftsbau dar. Zwar gab es auch hier reale Umsatzrückgänge, einige Großaufträge im Gleisbau führten jedoch im Frühjahr zu einem deutlichen Anstieg der Auftragseingänge. Im Öffentlichen Bau verläuft die Entwicklung uneinheitlich. Während im Öffentlichen Hochbau einzelne Großprojekte für kräftige Zuwächse bei Umsatz und Ordereingang sorgten, war die Entwicklung im Straßenbau real rückläufig.

Der Anstieg der Baupreise hat sich in den letzten Monaten aufgrund der sinkenden Nachfrage und einer allmählichen Beruhigung bei den Kosten für Baumaterialien verlangsamt. Im Einzelnen erhöhten sich die Preise für den Neubau von Wohngebäuden in Baden-Württemberg im zweiten Quartal 2023 um 7,3%. Im ersten Quartal hatte die Zunahme noch 12,8% betragen. Im Straßenbau stiegen die Baupreise von April bis Juni um 10,1%, nach 14,7 % im Vorquartal. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen konnte die Beschäftigung in der Bauwirtschaft stabil gehalten werden. Die Gesamtzahl der Mitarbeiter – bezogen auf Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten – lag im ersten Halbjahr 2023 bei 70.865, das waren 2,8% mehr als ein Jahr zuvor. Mitten in der Krise ruhen die Hoffnungen der Bauwirtschaft vor allem auf dem unvermindert hohen Baubedarf. Denn zur Bekämpfung des Wohnraummangels werden dringend neue Wohnungen benötigt. Zudem ist die energetische Sanierung des Gebäudebestandes vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels ein vordringliches Ziel. Auch im Bereich der Verkehrswege besteht ein großer Investitionsstau, viele Straßen und Brücken sind marode.

Die Politik muss handeln!

Zu tun gäbe es also mehr als genug. Doch wie kann die lahmende Baukonjunktur wieder in Schwung gebracht werden? Welche Schritte sind notwendig, um den Abwärtstrend zu stoppen? Die Bauwirtschaft sieht hier vor allem die Politik in der Pflicht. Erforderlich ist ein umfassendes Maßnahmenpaket, das Bauhemmnisse beseitigt und Wachstumskräfte freisetzt. Um mehr Dynamik im Wohnungsbau zu erzeugen, müssen insbesondere die Fördermittel für den Neubau deutlich erhöht werden. Außerdem braucht es bessere Förderkonditionen. So sollte man die Anforderungen an den energetischen Standard bei EH 55 belassen, statt EH 40 einzufordern. Auch sind bei der KfW-Wohneigentumsförderung für Familien die Einkommensgrenzen viel zu niedrig angesetzt. Sie müssten auf 90.000 Euro pro Jahr plus 15.000 Euro je Kind angehoben werden. Anstelle der Darlehensvergabe sollte es zudem wieder Zuschüsse geben, wie bisher. Darüber hinaus ist eine weitere deutliche Aufstockung der Fördergelder für den sozialen Wohnungsbau unabdingbar. Denn trotz der Mittelerhöhung in den letzten Jahren deckt das Fördervolumen den hohen Bedarf nicht ab. So waren die für 2023 in Baden-Württemberg zur Verfügung stehenden 463 Millionen Euro bereits im Mai ausgeschöpft. Zudem muss die Grunderwerbsteuer deutlich gesenkt werden. Auch der Abbau bürokratischer Hemmnisse und die Absenkung der hohen Baustandards sind dringend erforderlich. Großer Handlungsbedarf besteht ferner beim Bau und der Sanierung von Straßen und Brücken. Um die Leistungsfähigkeit des Verkehrsnetzes zu sichern, müssen die Investitionsmittel bedarfsgerecht aufgestockt werden. Insbesondere der Landesstraßenbau ist in Baden-Württemberg seit Jahren unterfinanziert. Dringend geboten ist zudem eine Vereinfachung und Beschleunigung der aufwendigen Planungs- und Genehmigungsverfahren für Bauprojekte. Die Bauwirtschaft fordert die Regierungen in Bund und Land nachdrücklich auf, die notwendigen Schritte zur Überwindung der Baukrise zügig umzusetzen. Mit der Einführung einer Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau ist ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Jetzt müssen weitere wirksame Maßnahmen folgen. Nur durch zielgerichtetes Handeln kommt die Baubranche wieder auf die Beine. Und nur so können die umfangreichen Bauaufgaben der kommenden Jahre bewältigt werden.

Info: www.bauwirtschaft-bw.de

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde am 15.09. erstellt, vor dem Wohnungsgipfel, der am 25.09. tagte.

Thomas Möller,
moeller@bauwirtschaft-bw.de,
bauwirtschaft-bw.de

Thomas Möller,
Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V.

Quelle: MIT Wirtschaftsforum Oktober/November 2023